Samstag, 9. September 2023

Laufen lernen, bevor man rennt

 


Laufen lernen, bevor man rennen kann, bevor man rennen sollte, war noch nie so mein Ding, eher renne ich und fliege ich auf die Fresse und stehe wieder auf und versuche es eben nochmal!

Im BDSM Bereich funktioniert das nicht so gut, weil man zwingend aufbauen muss. Vertrauen aufbauen. Regeln aufeinander aufbauen. Eine Basis erschaffen. Alles baut aufeinander auf und wenn man etwas auslässt, rächt sich das später wieder.

Deshalb hatte und habe ich immer Verständnis, wenn Monsieur langsam war, langsam ist und nicht von heute auf morgen einen Turbo anschmeißt und sonst was an Regeln auf mich niederregnen lässt, sondern lieber eine Kleinigkeit nach der anderen ändern möchte.

Blöd ist es, wenn ich davon nichts spüre und nichts bemerke.

Diese Diskussion hatten wir nun mehrere Abende hintereinander.

Früher, als wir nicht zusammen lebten, hatten wir auf der Heimfahrt eine Manöverkritik. Jeder sagte was ihm gefiel, was weniger, auf eine humorvolle Art und wir konnten gemeinsam lachen und uns fürs nächste Mal vornehmen, was wir verbessern können. Nun haben wir noch immer eine Manöverkritik und die fällt weniger lustig aus und spiegelt im Prinzip dieselben Themen immer wieder, was für mich den Anlass gab, auch immer neue Worte für dieselbe Sache zu finden, um verstanden zu werden.

Als ich dann meinte: "Für mich ist DS Hauptnahrung und ich habe den Eindruck, dass es für Dich eher eine Art Dessert ist, also nicht zwingend notwendig, sondern etwas worauf man Lust hat und es sich dann eben gönnt.", hat Monsieur verstanden was ich immer versuche zu erklären und zu beschreiben.

Er sagt. dass sein Job viel Kapazität seiner Gedanken auffrisst, ich sage, dass DS in einem steckt und im Hintergrund immer präsent ist und es quasi permanent mitschwingt, dadurch eben keine Kapazität wegnimmt. 

Wir sind also wieder bei Grundsatzdiskussionen angelangt und meiner allgegenwärtigen Sorge, dass ich DS mehr brauche und für wichtiger halte, als Monsieur.

Wie auch immer, wir haben dennoch an unseren Beginn zurück gedacht und da war es normal, dass wir während unserer knapp bemessenen Zeit möglichst viel zusammen gemacht haben und dass DS in der gesamten Wohnung eine Option war.

Ich erinnerte mich, wie er die erste Stahlöse in die Wohnzimmereinrichtung bohrte und ich dachte: "Mist! Wenn wir uns trennen, ist da ein Loch! Einfach so ein Loch! Das sieht doch nicht aus!!!" Er sah nur die Option mich anzuketten. Mittlerweile sind die Teile überall in der Wohnung verteilt und ursprünglich waren da auch Ketten und Schlösser dran, so dass man mich jederzeit anschließen konnte. 

Die sollten wir mal wieder ausbuddeln.

Jedenfalls fielen mir diese Schreckmomente wieder, wie er die Einrichtung nach und nach "demolierte" und dann verkrümelte er sich ins Büro, weil er eine Videokonferenz hatte und ich dachte mir so: "Ach, wie war das noch gleich früher?" und huschte hinterher.

Mein Kniekissen kaufte er, als wir unsere ersten Chats miteinander hatten, ohne dass wir uns einmal gesehen hatten und es liegt heute im Büro und wartet immer auf mich, wie es schon damals auf mich wartete, also zog ich mich aus, schnappte meine Switch und hockte mich darauf.

Monsieur beobachtete mich nicht lange, kam direkt zu mir und belohnte mich mit einer Knuddeleinheit. Er redet nicht viel, er zeigt sein Gefallen körperlich mit Zärtlichkeit, streichelt mich und umarmt mich, küsst mich sanft. 

Dann kehrte er schnell zu seinem Schreibtisch zurück. Das Blickfeld der Kamera ist so, dass ich natürlich nicht zu sehen bin, auch nicht wenn ich aufstehe, falls es mal an der Türe klingeln sollte. 

Dort blieb ich also, spielte ein wenig Animal Crossing und war, was ich bin, eine gute Sklavin, ein gutes Haustierchen, eine gute Partnerin.

Danach bekam ich abermals eine knuddelige Belohnung und dachte bei mir, dass es früher so war und es war schön und nackt sein war schön und wie konnten wir so viel Zeit so sehr verschwenden?



Es ist so lange schon alles da und liegt brach und wir werden nicht jünger. Es ist eigentlich sehr traurig.

Die Idee von der Nackthaltung, von der Garderobe, an der ein Kleid hängt, falls man mal notfalls raus muss, oder der Postbote klingelt, die ist doch so schön gewesen. 

So viele schöne Ideen.

Aber ja, der Job frisst Hirnkapazität... na dann... eben nicht.

Dann ziehe ich mich wieder an und bin wieder die grantige und unzufrieden Hausfrau.

Scheint ja zu genügen...

Ehrlich?

Ich brauche mehr als ein Dessert, tut mir leid. Ich habe Hunger, jeden Tag. Ich renne gerne, weil ich fliegen möchte! Auch wenn ich dafür immer wieder auf die Schnauze falle, selbst dann fliegt man für eine Millisekunde! Ich bin die Art von Mensch, die alles riskiert, um kurz zu leben, weil ich weiß, dass das Leben kurz ist und in dieser kurzen Zeit will ich alles erlebt haben! Und da ist noch so viel, was ich erleben möchte und Himmel, die Zeit rennt! Also renne ich auch, ich will nicht laufen lernen! Ich will rennen und fliegen und fliegen und FLIEGEN!


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