Was wirklich hart ist...
Ich habe diesen Text (die blauen Teile) ursprünglich alleine geschrieben und mein Herr ergänzte ihn, durch seiner Sicht (rote Teile). Immer wieder fühlte der jeweils andere sich falsch dargestellt und falsch gesehen, was nur noch mehr gewisse Missstände zeigt und so feilten wir am Text herum, bis beide zufrieden waren, denn das Thema ist, denke ich, in vielen DS Beziehungen ein Problem und ich hoffe einfach, dass andere sich auch angesprochen fühlen, ihre Lösung mit uns teilen, oder einen Ansatz für eine eigene Lösung darin finden können.
Ich schreibe gerne Texte darüber, wie gut es läuft und wie schön alles ist, aber das Leben als Herr und Sklavin bürgt so viele Stolpersteine, dass ich finde, die gehören eben auch dazu, umso wichtiger finde ich, dass dieser Bereich auch seine Plattform findet, als ein Teil von TPE/DS/BDSM usw.
Ich habe nach wie vor das Gefühl, wenn ich mich mit Gleichgesinnten unterhalte, dass einige ein falsches Bild von TPE haben.
Es klingt, als würden manche glauben, es wäre total easy, indem der Herr befiehlt und die Sklavin danach handelt, fertig. Jeder der irgendeine Form von Beziehung hatte, müsste allerdings wissen, dass es nie so einfach ist, denn auch Stinos sind nicht einfach zusammen und alles ist Friede, Freude, Eierkuchen.
Ebenso werde ich gerne gefragt, was das Härteste, Schwierigste, Schlimmste ist und am Gespräch drum herum erkennt man bereits, dass da eine Porno-Fantasie erwartet wird, dass man von irgendwelchen grausamen Foltermethoden hören möchte und anderen Abscheulichkeiten. Die Antwort darauf ist viel simpler, nicht wirklich erotisch und ernüchtert die Fantasie.
Das Härteste, das Schwierigste ist immer der schmale Grad zwischen Kommunikation und Nicht-Kommunikation über Erwartungen und Bedürfnisse: Was verbalisiert man, was spricht man aus, was lässt man ungesagt, was darf man ohne Schaden stillschweigend voraussetzen?
In einer TPE-Beziehung ist Kommunikation vielleicht noch zentraler als in jeder anderen Beziehungsform, denn die Positionen werden ja immer wieder kommunikativ ausgehandelt; jeder bezieht sein Selbstverständnis daraus, dass er bzw. sie als Herr bzw. als Sklavin angesprochen wird, durch Worte, Gesten, Rituale – das Salz in der TPE-Suppe. Immer und immer wieder. Die Sklavin will ihren Status spüren, jederzeit und durchgängig, und das muss – auch verbal – adressiert werden. Der Herr will mit Respekt behandelt werden, und das findet eben auch in wesentlichen Teilen sprachlich statt.
Im Alltag etablieren sich schnell Routinen, Handlungen, die oft nicht mehr verbalisiert werden, weil sie oft gleich oder ähnlich ablaufen. Das ist auch entlastend, weil jeder weiß, was er zu tun hat, und es deshalb nicht ausgesprochen werden muss. Diese Nicht-Kommunikation kann aber auch sehr schädlich werden, wenn sie die oben genannten Bereiche der Kommunikation tangiert, die essentiell sind für das Selbstverständnis von Herrn und Sklavin. Das, was folgt, ist ein Musterbeispiel:
Abends sagte mein Herr, ich solle mich bettfein machen und danach zu ihm kommen, um in der Position die Manschetten angelegt zu bekommen. Dann sollten wir ins Bett gehen. Nachdem ich bettfein war, kam ich an der Küche vorbei. Die Küche ist meine Aufgabe, mein Herr kontrolliert sie und sagt ggf., was ich noch zu tun habe. Also dachte ich mir, ich räume schnell den Geschirrspüler aus und decke den Tisch fürs Frühstück, so lange er noch beschäftigt ist, mit seinem Hobby und nutzte dieses Zeitfenster. Er bemerkte, dass ich zurück war, sah, dass ich die Küche machte und erklärte, er macht noch was im Arbeitszimmer.
Nun ist es keine Denksportaufgabe den Geschirrspüler auszuräumen und mein Gehirn hatte genug Kapazitäten frei, um einen Brummkreisel aus einem kleinen Gedanken zu bilden: "Es fühlt sich nicht gut an, dass ich entschieden habe, die Küche zu machen, obwohl mein Herr wollte, dass ich nach dem Waschen, die Manschetten anbekommen sollte. Ich habe mich nicht daran gehalten."
Leider bin ich mit einem mega Schlechtes-Gewissen-Sensor ausgestattet, so dass ich mich sehr unwohl fühlte und überlegte, wie ich das meinem Herrn erklären kann, ohne dass er so reagiert, wie er öfter reagiert, wenn ich leise Kritik äußere.
Da wir komplett unterschiedliche Sprachen sprechen, habe ich einige Kommunikations-Bücher gelesen, unter anderem Rosenberg, und dementsprechend mein Problem vorgetragen. Eine Ich-Botschaft voraus: "Ich fühle mich unwohl, weil..."
Kein Vorwurf, keine Zuschreibung, kein noch so negatives Wort, dann den Wunsch formuliert: "Ich hätte mir gewünscht, dass Du verbalisierst, ob es in Ordnung ist, wenn ich nun noch vorher den Geschirrspüler mache, oder eben, dass es nicht in Ordnung ist und ich erst die Manschetten anziehen soll."
Gut und wichtig ist immer auch, dass man möglichst klar formuliert, was man sich wünscht, damit der Andere sich nicht zu viel selber ausdenken muss und womöglich etwas vollkommen anderes versteht.
Hier ist alles vorhanden, was ich oben abstrakt beschrieben habe: Die Verbalisierung von Wünschen und Erwartungen, stillschweigende Routinen und was passiert, wenn diese Routinen der Kommunikation im Weg stehen. Ich gab eine Anweisung, die nicht sofort umgesetzt wurde. Als ich das bemerkte, ließ ich es laufen, weil die Küche machen zu den Routinen gehört, und ich ohnehin auch noch im Arbeitszimmer zu tun hatte. Und ich verbalisierte es nicht, was das schlechte Gewissen der Sklavin aktivierte. Und das wiederum erzeugte ein neues Kommunikationsbedürfnis (das, wir werden es noch sehen, in einen handfesten Streit mündete). Mit der oben formulierten Ich-Botschaft konfrontiert wurde ich erst nachdenklich und dann ärgerlich, und in meinem Ärger auch – das muss man sagen unsensibel: Meine Entscheidung, nicht auf der Umsetzung der Anweisung zu bestehen, wurde mir – so mein Eindruck – als Desinteresse ausgelegt, obwohl eigentlich intendiert war, die Sklavin in Ruhe ihre Routinen abarbeiten zu lassen. Da wo ich also routinierte Nicht-Kommunikation sah, war eigentlich das Selbstverständnis stärkende Kommunikation vonnöten. Und dann nahm das Unheil seinen Lauf, weil ich die Meta-Kommunikation über Routinen als "unnötige Bürokratie" bezeichnete und dann noch anfügte, dass unser (noch ausstehendes) Ritual durch solche Diskussionen nicht mehr die Freude bringt, die für mich den Kern ausmachen. In den Worten meiner Sklavin:
Bei dem Spruch "Das ist mir zu viel Bürokratie, das macht dadurch keinen Spaß mehr...", platzte mir die Hutschnur. Ein Faktor war, dass ich mich schlagartig als Last und Bürde gefühlt habe. Das tue ich recht schnell und umso mehr bemühe ich mich, es eben nicht zu sein, indem ich möglichst viel für meinen Herrn tue. Es war wie ein Schlag ins Gesicht.
Ich mache die Küche, damit sie für ihn so ist, wie er sie mag und sich vorstellt und dann kassiere ich so einen Spruch, der mir signalisiert, dass ich es nicht einmal wert bin, mir einen Satz zu sagen, der mir zeigt, was ich zu tun habe, oder besser getan hätte. Der mir meine Richtung zeigt und ggf. korrigiert, so dass ich wieder auf Spur bin. Autsch! Daraus entstand dann ein handfester Streit.
Nochmals erklärte ich mein Problem, war dabei nicht mehr so freundlich und verkroch mich wütend schnaubend in die Sofaecke, wo ich dann auch eine Weile blieb und mich mit meinem Handy beschäftigte.
Und so führt das Schwanken auf dem schmalen Grad zwischen bestärkender Kommunikation und stillschweigend voraussetzender Nicht-Kommunikation direkt hinein in einen Emotionsstrudel; aus meiner Sicht war gar nicht viel passiert (das Ritual war ein paar Minuten nach hinten verschoben worden). Die Ich-Botschaft "überhörte" ich und sah in ihr eine unnötige Meta-Kommunikation, die die Abläufe ohne Not verkompliziert. Meine unwirsche Reaktion trat im Kopf meiner Sklavin nachgerade einen Tsunami an Selbstzweifeln ("Last und Bürde") los, der zugleich in Wut und Empörung mündete.
Und deshalb ist es so wichtig, in einer TPE-Beziehung zu verbalisieren, um solche Tsunamis gar nicht erst entstehen zu lassen: Die Beziehung muss, stärker vielleicht als in anderen Beziehungsformen, immer wieder sprachlich aktualisiert werden: Die Sklavin braucht Anweisungen, Aufgaben, Aufmunterung und Lob, aber eben auch (sprachliche) Strenge und Zwang, damit sie sich wohlfühlen kann. Nicht-Kommunikation wie oben beschrieben ist da schnell schädlich, weil sie ja doch irgendwie auch Kommunikation ist, nämlich wenig wertschätzende; es ist Routine, es ist selbstverständlich, es ist nicht der Rede wert. Und genau deshalb ist es so wichtig, mit Ritualen gegenzusteueren, weil diese immer wieder das zur Sprache bringen, was eben nicht selbstverständlich ist: Dass sich die Sklavin ganz und gar unterwirft und in dieser Unterwerfung angenommen sein will – immer und jederzeit. (Und muss dabei immer und immer wieder verbalisiert werden.)
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