Montag, 27. September 2021

Fußabstreifer

 Jetzt ist es auch schon wieder einen Monat her, seid ich das letzte Mal geschrieben habe.


In der Zwischenzeit ist viel passiert.


Warum ich wenig schreibe?

Es ist oft sehr schwierig. DS ist eine sehr untergeordnete Rolle. Monsieur nennt mich oft Haustierchen und ähnliches, ich ihn auch Monsieur. Die Kette nachts, die Frage, ob ich auf die Toilette darf, an meinem kleinen Tisch, auf dem Boden zu essen, sind feste Dinge im Alltag, alles andere Gezeiten. 

Monsieur begann vor hmm etwa drei Wochen damit, den Mittwoch und Sonntag unter den Stern: Haustierchens Wartungstag, zu stellen. Also wurde ich zwei mal die Woche gewartet, meistens verbunden mit Spaß, den sich mein Herr danach mit mir gönnte. Er mag es, wenn ich bereits gekommen bin und empfindlich untenherum, so dass seine Schläge mit der Hand, dem Paddel und was er sonst noch so zwischen die Finger bekommt, ordentlich weh tun.

Schläge auf den Po kann man ja noch, als nicht Maso, irgendwie kompensieren, artig still halten und damit klar kommen, auf treffsicher zwischen die Beine? Dann gespreizt halten, ohne Hilfsmittel? Nicht zu laut sein und nicht zu viel jammern? Ein kleines Kunststück, jedes Mal aufs Neue!

Das ist natürlich auch ein Teil von DS. Vielleicht bin ich zu gierig? Denn immer im Alltag fehlt es mir ungemein. Es fehlt mir zu knien. Es fehlt mir, dass ich Regeln habe. Es fehlt mir, dass ich Rituale habe. Es fehlt mir dadurch an Sicherheit, Struktur und Halt, aber was mir am meisten fehlt ist jemand, der es ebenso braucht, wirklich braucht, wie ich. 

Ich fühle mich dadurch allein gelassen.

Wenn ich mich vor Monsieur knie freut er sich, er streichelt mich, aber er fordert und verlangt es nicht. Dann kommt man sich überflüssig mit dem Bedürfnis vor.

Einmal sagte er etwas wie: "Ja, du brauchst es, auf dem Boden zu sein..." recht nachdenklich, aber dabei blieb es dann auch.


Ich habe viele bequeme Möglichkeiten für den Boden, die ungenutzt bleiben.


Das Hundebett?

Es wurde nach kurzer Zeit nicht weiter benutzt, staubte wieder ein, ich habe es abgezogen, das Innenleben mit Desinfektionsmittel besprüht, den Bezug und alle Decken usw. gewaschen, es super bezogen und dann? Verstaubt es aufs Neue.


Einmal entdecke Monsieur, dass das Alltagshalsband eigentlich ab und an hervorgehoben werden sollte, es bewusster gemacht werden sollte... jups, damit ist der Gedanke wieder verpufft.


Warum ich so wenig schreibe?

Weil ich kein schlechtes Licht auf Monsieur werfen möchte.

Weil mein Inneres immer hin und her ringt, zwischen sich Luft machen und was von der Seele schreiben, und ihn nicht bloßstellen zu wollen.

Hey! Diesmal habe ich immerhin einen Monat durchgehalten!


Aber in dem Monat ist so viel Mist passiert!

Mein Hamster wurde eingeschläfert, vollkommen unerwartet.

Ich dachte, der kleine Opa hätte Probleme mit seinen Zähnchen oder seiner Backe und ging mit ihm zum Tierarzt, das erste Mal, seit unser Kater eingeschläfert wurde und es war ein schlimmes Gefühl, voller Trigger und Erinnerungen, aber ich ging tapfer hin! Ich stand also an der Rezeption und wir trugen den kleinen Rentner ein, Geschlecht, Farbe, Alter, Name, alles mögliche und aus Nervosität alberte ich ein wenig herum, aber sagte mir auch immer wieder, dass er sicher nur sich einen Zahn abgebrochen hat, oder eine Backenentzündung hat und mit etwas Glück, wir das mit einem einmaligen Besuch abschließen können, sonst müssen wir eben zwei mal hin...

Dann war es auch noch der selbe Raum, wie mit dem Kater und ich ging fast ein, innerlich. Grauenhaft.

Tja und als der Tierarzt sich den kleinen Mann anschaute, merkte man schnell, dass es keine guten Nachrichten geben soll. Er hatte Krebs, gestreut und in den Backen auch schon, im Bäuchlein und keine Chance mehr. Und man steht da, ja es ist ein kleines Leben, aber es ist ein geteiltes Leben voller Liebe jeden Tag, denn man kann auch die kleinen Seelen lieb haben, wie die großen.

Mir war egal, dass es "nur" ein Hamster war, denn ich habe jeden Tag für ihn gesorgt und mich gekümmert und mich an ihm erfreut und seine kleinen Marotten belächelt und seine Missgeschicke sorgsam beobachtet und ihn mit kleinen Leckereien verwöhnt. 

Wenn man sich um etwas kümmert, steckt man sein Herz rein, egal wie klein das Wesen sein mag.

Und nun ging wieder ein kleines Stückchen von meinem Herzen mit auf die Reise und eines Tages, werde ich hoffentlich, alle meine kleine Herzensstücke wieder sehen und zusammenfügen und glücklich mit ihnen sein.

Ein schwerer Tag, eine schwere Zeit für uns.


Ich bin aber auch ein Stehauf-Weibchen und versuche mich immer ein wenig zu verbessern, versuche mich zu bilden und unser Leben zu bereichern und stecke da all meine Energie rein.

Monsieur gibt mir keinen Tagesplan, gibt mir keine Struktur, also habe ich nach und nach damit begonnen, mir selber ein wenig mehr Routine zu geben. Morgens aufstehen, wenn Monsieur die Kette gelöst hat, dann die Morgentoilette, je nachdem ob ein Paketbote kommt, oder etwas ansteht, wofür ich ordentlich gekleidet sein muss, ziehe ich mich an, oder trage nur ein Nachthemdchen, so ein feines, leichtes, oder einen XXXL Hoodie, wenn es kühl ist, wie Monsieur es mag.

Dann ein wenig im Haushalt machen, Wäsche, was auch immer ansteht.

Frühstücken, wenn Monsieur möchte, wenn er nicht da ist alleine essen, oder auf ihn warten, wenn er ein zweites Frühstück mit mir möchte usw.

Monsieur freut sich, dass die Wohnung schön ist. War sie früher auch, aber wir haben beim letzten Sperrmüll einiges Ausgemistet, umgestellt, neu sortiert, so dass es luftiger ist, nach mehr Platz aussieht und mehr so, wie Monsieur es mag.

Ursprünglich hatte ich gedacht, damit sei sein größtes Ärgernis weg.

Grund zu ärgern findet er leider dennoch.

Aber ich möchte da nicht weiter drauf eingehen.

Ich befasse mich also, durch meine selbstgegebene Routine, nicht nur mehr mit Regelmäßigkeiten. (nein, ich mache nicht mehr, ich habe es nur in einen besseren Rhythmus verlegt) sondern lerne nun auch gewohnheitsmäßig mehr bei meinen Hobbys, wie z.B. Französisch lernen und zeichnen. Das tut gut, denn wer rastet der rostet.

Zwar sitze ich dann oft da und merke was mir fehlt, aber mein Drang zu sagen, ich brauche es unbedingt im Leben, wird immer kleiner, stumpft ab und ich versuche mir einzureden, dass es nicht so wichtig ist, dass es wichtigere Dinge gibt, dass ich mehr Wert auf andere Dinge legen sollte.


Und das macht mich unendlich traurig.


Wenn man weiß, was man braucht.

Wenn man weiß, was man möchte.

Wenn man weiß, was einem gut tut.

Wenn man weiß, wofür man eigentlich lebt.

Wenn man weiß, was der eigene Lebensinhalt ist.

Und das kaum bekommt. 

Wie eine Zwangsdiät.

Hier und da ein wenig, nie genug.

Zu viel um zu sterben, zu wenig um zu leben.


Soll es das gewesen sein?


Dann setze ich mich eines morgens hin, Monsieur musste früh los und ich hatte ein wenig Zeit zum Denken, setze mich hin, schreibe auf was ich denke, schreibe auf was ich unfair finde und?

Er liest es.

Er versteht es.

Ändert es etwas?

Nein.


Immer dieses Bemerken. Erkennen. Sehen. 

Aber nichts ändern.


Und dann fühlt er sich ungerecht behandelt.

Verstehe ich!

Er tut viel für uns!

Er ist sehr großzügig, warmherzig, da wenn man ihn braucht. 

Ok, manchmal meckert er, wenn er da ist, wenn man ihn braucht. Aber er ist da.


Aber was, wenn es nicht das Leben ist, was man führen wollte?

Was, wenn die Bereiche, die einem so viel wichtiger sind, nicht beachtet werden?

Was, wenn man dankbar sein soll, für Dinge, die einem selber nicht unbedingt wichtig sind, dem Anderen aber schon?


Dann ist alles voller Zweifel und sehr, sehr, sehr viel Disziplin gefragt. Dann reißt man sich als Sklavin zusammen, frisst es in sich rein, versucht es ab und an ganz leise mit Versuchen seine Bedürfnisse zu erklären, ganz vorsichtig, weil sie immer einen Gewittersturm herauf beschwören, egal wie zaghaft man es probiert.

Aber man lernt auch, es ändert nichts.

Man hat das Unwetter, man hat diesen gewaltigen Groll gegen sich, man bekommt sonst was an den Kopf geworfen und nimmt sich auch noch all die gesagten Dinge zu Herzen, hinterfragt sich selber, aber es bleibt dabei.

Beim nächsten Mal überlegt man deutlich länger, ob man das nochmal durchmachen möchte.

Und dann? Wenn die Not zu groß wird?

Dann versucht man es wieder, noch vorsichtiger, noch kleinlauter, noch unpräziser, nur um nicht wieder diesem Chaos ausgesetzt zu werden. Mit welcher Reaktion? 

Natürlich ein erneuter Orkan, neuer Hagel und alles bricht über einem zusammen.

Ist es das wert?

Wenn man weiß, dass es nichts ändert, außer die aktuelle Stimmung in ein Donnerwetter zu verwandeln?


Man stellt sich in Frage.

Man stellt seine innere Sklavin in Frage.

Man fragt sich, was eine Sklavin für Rechte hat.

Man fragt sich, was für Rechte man als Mensch hat.

Man fragt sich, was einem die innere Sklavin wert ist.

Man fragt sich, was das eigene Leben wert ist.

Man fragt sich all das.

Man stellt alles in Frage.


Man denkt an den Menschen, den man liebt.

Ist die Liebe zu einem Anderen es wert, dass man sein Leben unvollkommen lebt?

Darf man sich das überhaupt fragen?

Also schaut man schnell wieder weg, schaut lieber auf die Routine, die man sich eingerichtet hat: "Was steht als nächstes an? Was habe ich noch nicht gemacht? Womit kann ich mich schnell ablenken?"

Man lernt ein wenig Französisch, berichtet stolz davon, Monsieur freut sich, aber wendet man es an? Spricht man Französisch miteinander? Wofür macht man es dann? Schon wieder diese unmöglichen Fragen!

Für einen selber?

Würde ich dann Französisch lernen?

Wäre es wirklich Französisch?

Wäre es überhaupt eine weitere Fremdsprache?

Aber so darf man nicht denken, denn Monsieur gibt so wenig vor, so so wenig, da muss man das Wenige schon beachten und genau darauf besonders viel Augenmerk legen.


Jeder der starke Dinge verdrängt, dauerhaft verdrängt, weiß dass sie wie ein Bumerang zurück kommen, immer und immer wieder.

Ist das eine Lösung?

Was ist eine Lösung?


Ich habe mir, seit ich 19 bin, meine Partner extra im BDSM Bereich gesucht, weil ich weiß was ich brauche, weil ich weiß was ich will, weil ich nie in eine solche Situation kommen wollte und nun bin ich wieder darin. 

Nein, das stimmt nicht.

Ich habe nicht gar kein DS.

Ich habe wenig DS.

Wie ein Lockangebot. "Schau mal, Du hast ja DS!" Dass es zu wenig ist, darf man nicht beachten, denn dann steigen wieder die vielen Fragen auf.

Und damit auch die Frage, ob die eigene Neigung eine so große Rolle spielen darf.

In der Gesellschaft sicher nicht akzeptiert, selbst innerhalb der Szene teilweise noch nicht.

Eine Sklavin, die ihr Leben wirklich und komplett in die Hand ihres Herrn legen möchte? Pfui!


Ist es zu viel verlangt?

Verlange ich zu viel?

Bin ich wirklich das Alien, als dass ich mich fühle?

Aber wenn ich im englischen Bereich der Community umsehe, dann bin ich damit alles andere als alleine! Dort geht man anders miteinander um und vieles ist selbstverständlich, normal, natürlich.

Dann fühle ich mich akzeptiert und wohl und weniger alleine.


Nun schaue ich mein Leben an, es weicht so weit ab von dem, was ich mir gewünscht hatte, was ich brauche und die Fragen beginnen wieder zu kreisen...



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