Donnerstag, 11. Januar 2024

Alles beendet

 Gefühlt spielt sich im Moment alles in Zeitlupe ab. Die Zeit zieht sich wie Kaugummi, dehnt sich aus und  verharrt.

Aber im selben Moment passiert auch viel auf einmal. In mir.

Ich hate so viele Jahre, Jahrzehnte nur Streß. Meine Gesundheit, meine Familie, Schicksalsschläge noch und nöcher und jetzt gerade ist es ruhig. Das bin ich nicht gewohnt und doch versuche ich mich zu entspannen und es zu genießen, ohne permanent darauf zu warten, was als nächstes schlimmes passieren mag.

Mein gehetztes Leben legt eine Pause ein.

Nach einer gefühlten Ewigkeit ist mein Zimmer fertig und schöner als gewünscht.

Meine Migräne ist im Griff und betrifft lediglich 1-2 Tage im Monat.

Meine Krankheit ist nur noch ein Klinikbesuch einmal im Jahr und keinerlei andere Zwischenfälle.

Mit dem Hund habe ich mich arrangiert und, obwohl ich keinen wollte, sind wir ein super Team und versüßen uns gegenseitig die Tage.

Die Kinder sind gut untergebracht und keiner ist mehr da, der ständig an einem zerrt und belastet. Nein, Kinder sind viel mehr als das! Sie sind das größte Glück im Leben und schenken einem so unendlich viel, jedoch sind sie dennoch auch Arbeit, Sorgen und Streß.

Nun habe ich Ruhe.

Kann mich neu definieren und atmen.

Da Monsieur nach wie vor nicht als TPE Herr wirklich aktiv ist, musste und muss ich mich damit arrangieren.

Es kam dann der Zeitpunkt, an dem ich mir sagte: "Wenn er nicht in der Form für mich da ist, muss ich mich mehr um mich selber kümmern..." Als Sklavin würde ich es nach wie vor als Armutszeugnis deuten, als Mensch eher eine Überlebenstaktik und den Fokus verschieben.

Es bringt nichts, wenn ich mich darüber, oder über ihn ärgere, also mache ich eben mein eigenes Ding und genieße das wenige DS, was ich ab und an bekomme.

Das funktioniert eigentlich ganz gut im Moment. Dadurch komme ich zur Ruhe und höre meine innere Stimme deutlicher. Meine Sklavin hingegen wurde erst einmal verbannt.

Ich fühle mich wohler in meiner Haut und komme mehr zu Aktivitäten, die ich vor lauter unglücklichsein vernachlässigt hatte. 

Ich ziehe mich zurück, lese ein Buch, male, nähe, stricke, was auch immer. Beschäftige mich mit Dingen, die ich mag, die mir gut tun und ablenken.

Monsieur ist nicht komplett untätig. Ich kann andere Fürsorge von ihm mehr schätzen, als früher.

Ein Friseurbesuch war für mich immer sehr stressig. Die Sorge, dass die Haare zu kurz geschnitten werden, oder anderweitig nicht gut aussehen, damit hatte ich umgehen lernen und nun, durch ihn, der sagt, dass ein Friseur eben etwas mehr kostet, es das aber auch wert ist, komme ich in den Genuss, dass wirklich auf mich gehört wird und ich noch eine Wellnesspackung oben drauf bekomme.

Oder der Besuch in meinem liebsten Kunstladen und das Wissen, wenn ich etwas wirklich möchte, macht er es mir möglich und schimpft nicht, sondern sieht die Optionen, die ich dadurch habe und vertraut darauf, dass ich etwas daraus mache und wenn ich es umsetze, die Freude, an dem was ich erschaffen habe.

Die Lust, die ich auf Museumsbesuche entwickelt habe, obwohl ich früher so gut wie nie in eins ging und das Wissen, was ich gerne anschaue, was weniger und die Überraschung, dass mir dann doch wieder andere Sachen gefallen, von denen ich nichts wußte und dass er mich in meinem Tempo herumstöbern lässt und nicht darauf besteht, dass wir nebeneinander bleiben, sondern jeder die Zeit damit verbringt, was er gerne betrachten möchte. Manchmal husche ich nahezu durch und er lässt sich bei jedem Stück Zeit und Ruhe, ein anderes Mal ist es dann wieder umgekehrt, aber keiner hetzt den anderen, sondern beobachtet, wie fasziniert der Partner von den Kunstwerken ist und hinterher teilt man die Eindrücke, erklärt seine Sicht und schwelgt gemeinsam darin.

Es sind viele Dinge und ich kann unmöglich alle beschreiben, aber zusammen genommen ergeben sie ein Gefühl von Behaglichkeit, Akzeptanz und Wohlwollen.

Früher bemerkte ich nahezu nur die Abwesenheit von TPE und größtenteils DS.

Ist das genug? Nein. Wird es nie sein.

Ist es im Moment, wortwörtlich Moment genug? Ja, es ist ok. Weil ich verzichte und den Fokus auf andere Dinge lege. 

Die nächste Katastrophe kommt garantiert, aber ich versuche den Augenblick zu genießen, Ruhe zu tanken und auf mich zu achten, bis es wieder jemand anderes möchte. So lange bin ich eben für mich selber da. Also in guter Gesellschaft :)

Monsieur zeigt seine Liebe eben durch Annehmlichkeiten und das Kümmern, damit es einem gut geht. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar.

Vielleicht braucht er auch einfach seine Zeit. Muss sich wieder hören, auf sich hören. 

Und nun lebe ich weiter im Moment, versuche mir keine zukünftigen Fiaskos auszumalen und die Vergangenheit ruhen zu lassen. 

Ich habe so viele Bücher, die alle gerne gelesen werden wollen und jedes ist für sich eine Flucht in eine andere Welt :)

So viele Leben die man leben kann!


1 Kommentar:

  1. ein sehr interessanter eintrag. ich hoffe, die katastrophen lassen noch lange auf sich warten, ich drücke dir ganz fest die daumen. manchmal ist es nämlich ganz gut, wenn man etwas innehält im voraneilen, mehr in sich hineinhorcht. so kann man ungeahnte tiefen in sich entdecken und dinge, die einem entgehen, wenn man immer nur vorwärtshastet und nach dem nächsten kick, dem nächsten aha-moment strebt. bei mir war das die zeit nach meiner krebsoperation, und irgendwie ist es jetzt, jahre später, immer noch so.
    die ruhe schadet nicht. es geht dir dadurch nichts verloren, es ändert sich nur. und nicht immer zum schlechten.
    tolle seite, danke dass du uns daran teilhaben lässt!
    sisa

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