Unzufriedenheit
Monsieur legte gestern Abend das neue Kniekissen vor das Bett und hielt so das Abendritual ab, bei dem ich sonst auf dem Teppich knie.
Er lobte mich wieder für mein Tagewerk und das tut mir jedes Mal wirklich sehr gut. Mein Selbstwertgefühl ist nicht das Beste und ich hege oft Zweifel und denke, dass ich nicht genug leiste, doch durch seine Ansprache und seinen Zuspruch wird es Schritt für Schritt ein wenig besser. Merci, Monsieur!
Danach durfte ich ins Bett krabbeln und bekam auf jede Backe drei Hiebe mit der Plastikgerte. Üble Nachbrenner sind das immer, jedoch konnte ich mich gut beherrschen und gab keinen Mucks von mir. Monsieur sinnierte derweil über die Effektivität des Stocks und das Preis-Leistungs-Verhältnis: "Der günstigste Stock, der aber mit am effektivsten ist."
Heute Morgen öffnete Monsieur kommentarlos das Schloss und ich startete wie gewohnt in den Tag, derweil er auch seiner üblichen Routine nachging. Während ich das Frühstück zubereitete, hatte er das neue Kniekissen neben dem Sofa platziert und als nichts mehr zu tun war, wir gesättigt waren und ich mir eine kleine Pause gönnen wollte, durfte ich darauf Platz nehmen und die Erlaubnis abwarten, bis ich aufs Sofa durfte.
Im Moment fällt es mir extrem schwer, zu gehorchen und artig zu sein, weil mir wirklich viel fehlt und ich im Hinterkopf denke: "Wie, das soll alles sein? So soll ich bis ans Ende leben?!?" Doch das ist kontraproduktiv und Monsieur gegenüber massiv unfair, also reiße ich mich zusammen und versuche, nicht auf diese innere Stimme zu hören.
Es ist bitter, mitanzusehen, wie er Stunden an Konzepten arbeitet, neue Ideen entwickelt, kreativ ist und sich gedanklich voll auf seine Arbeit und andere Menschen einlässt. Dabei steht man daneben, wird zwar für sein eigenes Tun gelobt, erhält jedoch nicht dieselbe Aufmerktsamkeit und Zeit. Man bleibt außen vor und beobachtet nur, wie er all das für andere investiert.
Ja, ja, ich muss die kleinen Details im Alltag wieder sehen: dass ich nächtlich an einer Kette festgeschlossen schlafen darf, dass ich an einem Mini-Tisch auf dem Boden frühstücken darf, dass ich abends manchmal ein Ritual habe und über den Tag verteilt öfter eine besondere Anrede benutzen darf.
Aber was macht man, wenn man ständig zurückdenkt an das, was man schon alles erleben durfte, an die Art, wie man früher gelebt hat, und es einfach vermisst?
Vielleicht kommt erschwerend hinzu, dass ich in meinem alten Tagebuch gerade an einer Stelle bin, in der es mit meinem Ex-Ehedom ausnahmsweise mal ganz gut lief. Ich erinnere mich dabei auch an schöne Erlebnisse, nicht an ihn und nicht an die Zeit, sondern einfach an diese besonderen Momente.
Ansonsten war der Tag recht ereignislos.
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