Einseitigkeit

 Gestern Abend, wir lagen bereits im Bett, Monsieur war mehrfach eingenickt, keine Ahnung woher das kam, er signalisierte, dass er gerne noch Sex hätte. Um sicher zu gehen, dass es nicht um mein Bedürfnis geht, denn wir waren beide müde und es war spät, erklärte ich, dass das nicht sein muss.

Falscher Satz, zum falschen Zeitpunkt.

Monsieur bekommt nicht gerne gesagt, was er tun oder nicht tun soll und egal wie ich es formuliere, er kann es nicht gut abhaben, selbst wenn ich nur klarstellen möchte, dass es nicht mein Bedürfnis ist, ohne ihn einschränken zu wollen.

Ich war müde, ungeil, hungrig, ohne essen zu wollen und einfach durch. Wir hatten unser Abendritual absolviert, schon unser Einschlafhörbuch an und es war alles vom Tag beendet. 

Jederzeit verfügbar sein ist für mich natürlich keine Phrase und egal wie viel Lust, oder eben auch, wie wenig Lust ich habe, Monsieur hat immer das Recht, die Möglichkeit, sich zu bedienen und einzufordern, was immer er gerade möchte, also ließ er seinen Gedanken Taten folgen und während dessen ließ es mich dann doch nicht mehr so kalt. Manchmal kommt die Freude erst, wenn man mittendrin ist. 

Durfte ich kommen? Keine Ahnung, denn ich war noch nicht so weit zu fragen und Monsieur war ja wirklich schon vorher sehr müde gewesen, hatte seinen Höhepunkt schon erreicht gehabt, weshalb ich auf seine Frage, ob das Haustierchen denn auch gerne einen Orgasmus bekommen möchte, mit einer Verneinung antwortete.

Ganz ehrlich, ich glaube, außer ich bin notgeil durch irgendwas und kurz davor schon bei einem Hauch von Berührung zu kommen, dann würde ich darum bitten, allerdings geht immer Monsieurs Wohlbefinden voraus und meine Bedürfnisse stelle ich hinten an und Mühe möchte ich erst recht keine machen, so dass ich nahezu immer sagen würde, dass es schon ok so ist.

Einer Sklavin steht ohnehin nicht immer ein Orgasmus zu und damit komme ich meistens gut klar, wenn ich nicht gerade alle Jubeljahre nur Sex habe.

Wir kuschelten noch etwas, Monsieur war bereits ganz dösig und schläfrig, da kommt von ihm noch so eine Frage. Ob ich nun frustriert sei?

Frustriert? Nein, warum auch? Er hat es entschieden. Sein Wille zählt. Immer. (Das ist ja mein Fetisch.)

Da ist lediglich so eine kleine Stimme der Gerechtigkeit, die nichts mit meiner inneren Sklavin gemeinsam hat und gerne aufzeigt, dass man alles teilen muss, jeder gleich viel haben soll, gleich oft usw., ja, selbst wenn es darum geht, dass ich drei Orgasmen hatte und Monsieur nur einen. 

Es ist kein negatives Gefühl, nichts, was mich beeinflusst, nicht einmal ein juckendes Gefühl im Hirn. Eigentlich denke ich nicht darüber nach, außer man hinterfragt meine Gefühle, dann poppt es sanft auf und ansonsten interessiert es mich nicht. 

Ich genieße viel mehr, dass sich Monsieur an mir bedient hat. Dass ich ihm Spaß bereitet habe. Dass er den Mut, die Kraft, das Vertrauen hat zu sagen, dass ich heute eben keinen Orgasmus bekomme. (Ich stehe auf Verbote und Einschränkungen…)

Eher sprach seine Sorge daraus.

Monsieur, es war und ist kein Problem, im Gegenteil! Es zeigt mir unseren Status, unsere Wertigkeit. Ich genieße selbst das Auslassen eines Orgasmus, weil es mich ganz klar auf meinen Platz reduziert und ich mir keine Gedanken machen muss, ob Sie etwas nur für mich tun, was ich nicht wirklich leiden kann, wie Sie wissen.

Monsieur schlief dann auch ziemlich direkt. 

Heute ist nun Cheat Day und da haben wir per se bessere Laune! Nicht, dass wir sonst schlechte haben, aber es ist ein wenig losgelöst, wie ein besonderer Feiertag und man muss nicht darauf achten, was man essen kann, sondern hat ein Gelüst und kommt dem einfach nach. Freiheit im Denken, ohne Käfig, ohne Alternativen, einfach seine Seele baumeln lassen. Das beschwingt den ganzen Alltag. 

Ich durfte noch weitere vier Regeln in mein kleines grünes Buch eintragen und damit wirksam machen. Vorher hatte ich, wie schon gestern, absolutes Muffensausen vor Fehlern, Verschmierungen, Krakelschrift, allgemeine Rechtschreibfehler, Übertragungsfehler, Auslassen von Wörtern oder gar Zeilen und noch einiges anderes. 

Ich setzte mich dafür auf den Balkon, richtete die Bücher ordentlich aus, atmete tief durch und versuchte wirklich mich zu konzentrieren und es möglichst perfekt abzuschreiben. Das hat auch ganz gut geklappt und Monsieur lobte mich dafür, gab mir einen Kuss und kraulte mein Ohr. 

Eigentlich ist die Übertragung noch der einfachste Teil, denke ich, denn ab dann muss die Regel auch eingehalten werden und dort war sie nun, die verfluchte Regel mit meiner angemessenen Sprache. Mein größtes Manko, mein größtes Problem, meine riesige Schwäche, mein verdammtes Schandmaul.

Jeder kennt es, oft ist die Schnauze schneller als das Hirn und schon ist es raus, die Hände vor den Mund werfend, aber zu spät! „Herz auf der Zunge“. Darin bin ich Spezialistin, leider.

Ich wuchs in einem Haushalt auf, in dem ausgiebig geflucht wurde, geschimpft, beschimpft, gezankt und beleidigt. Ich möchte sogar sagen, dass es eine eigene Kunstform war und niemand ein Blatt vor den Mund nahm. Ich sage, was ich denke, gerade heraus, unverblümt, ungeschönt, auch wenn es manchmal eben nicht nett ist. Wenn ich chatte/schreibe, dann habe ich wenigstens die Option zu überdenken, was ich von mir gebe, aber beim reden, herumblödeln, wütend werden…

Vermutlich wird Monsieur da noch sehr viel Freude dran haben. 

Auch finde ich es schwierig den Humor zu bewahren, während ich meine Sprache anpassen muss. Meine Persönlichkeit, die Monsieur schätzt und liebt, die ja auch der Grund ist, warum wir zusammen gekommen sind, soll doch nicht unterdrückt oder gar überschrieben werden. Das sollte jedoch nicht meine Sorge sein, sondern Monsieurs, der alles im Blick hat und überwacht. Meine Gedanken und Sorgen darf und soll ich teilen, daher schreibe ich es auf. 

Wir sind also wieder einen Schritt weiter und im Moment fühle ich mich einfach vollgefressen, so richtig unangenehm, aber das ist gut so, dann habe ich länger Ruhe vor Gelüsten und dank Cheat Day nehme ich trotzdem weiterhin ab. 

Ich bin müde, dann passieren mir noch schneller Fehler, plus das Unwohlsein, keine gute Mischung, aber Monsieur ist im Moment noch sehr nachsichtig. Kleine Vergehen bedeuten kleine Strafen. Er hat den einen Stock dauerhaft ins Wohnzimmer verlagert und dann gibt es eben direkt ein paar in Haustierchen-Position auf den Hintern. Nicht schlimm. Gut erträglich. Machbar. Ich mache nicht gerne Fehler und seine Enttäuschung ist die weit größere Strafe, denn dann kreist noch ewig in meinem Hirn herum, dass ich es hätte besser/anders machen müssen und ich hätte sorgfältiger sein sollen, so dass das die eigentliche Strafe dahinter ist. Der Stock ist für mich eher die symbolische Bestrafung.

Unter uns, wenn Monsieur mich betreten anschaut und sagt, dass ich ihn enttäuscht habe, dass er nicht zufrieden mit mir, mit meiner Leistung ist, dann kommen da keine Striemen und Spuren auf meinem Hinter dran, weil es direkt ins Herz trifft und meinen Stolz angreift, meine Demut und Hingabe in Frage stellt.

Ein: „Meinst du nicht, dass du das besser kannst?“ ist ebenso eine wirklich harte Strafe, ohne mehr sagen zu müssen, da die Antwort immer lautet: „Natürlich kann ich das besser machen!“ Keine wirkliche Sklavin, vermute ich mal, wird sich sagen: „Ach, naja, das war nun echt das Maximum… nö, da wäre keine Steigerung machbar gewesen.“

Dann ist es eine Herausforderung, die Aufforderung nochmal weiterzudenken und sich mehr Mühe zu machen, weil es nie genug ist, weil immer noch mehr möglich ist, weil man das Unmögliche für seinen Herrn schaffen und erreichen möchte, egal wo die Messlatte hängt. 

„Ich höre Sie und werde mich mehr bemühen, Monsieur.“ ist die einzige Antwort und der Beisatz in meinem Kopf: „Ich hätte mir direkt mehr Mühe geben müssen, warum habe ich das nicht getan?!?“





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