Unterschrift und so viel mehr
Ich sitze gerade gemütlich, soweit das auf Gartenstühlen möglich ist, auf dem Balkon und trinke einen iced Coffee. So richtig schön kalt und es wird endlich ein wenig angenehmer draußen.
Heute war ein großer Tag in unserem Leben. Monsieur richtete alles auf meinem Tischchen an und fragte, ob ich meine Tinte aufgefüllt habe, mein Füller fertig ist?
„Vergißmeinnicht Tinte“ habe ich ausgewählt. Eine passive und unaufdringliche Farbe, die sich gut einfügt, nicht heraussticht und schön in ihrer Einfachheit ist.
Kennst Du das, wenn Du denkst alles gut vorbereitet zu haben? Du freust Dich auf den Moment, bist aufgeregt und nervös und hast Angst, dass Du deshalb Fehler machen wirst? So ging es mir schon davor.
Monsieur hatte so viel Zeit in das grüne Buch investiert und man hörte ihn in der gesamten Bude fluchen, wenn er sich auch nur einmal verschrieben hatte, was nur, ich glaube, zwei Mal der Fall war.
Nun kniete ich da auf meinem weichen Kissen, extra angeschafft, weil Monsieur sicher gehen wollte, dass ich in jedem Raum einen Platz habe, der kein Möbelstück ist, damit wir die „keine Möbel“ Regel ordentlich umsetzen können und möchte nichts falsch machen, nichts vermasseln.
Monsieur hatte bereits unterschrieben und seine Schrift, die das ganze Buch ziert und verwirklicht hat, ist so perfekt! Anmutig, geschwungen, weich und ausdrucksstark. Ich liebe sie einfach. Die Tinte auch wieder als Statement ausgesucht und noch bevor ich meine Feder aufs Papier setze weiß ich, dass meine dagegen krakelig wirkt, unvollkommen und fehl am Platz.
Mut. Das ist es, was eine Sklavin oft braucht. Einfach Mut. Einfach machen, könnte ja gut werden.
Ich ließ meinen Vornamen für Monsieur ändern und habe den noch nicht so gut drauf, als Unterschrift meine ich, aber nun sollte ich mit Haustierchen unterschreiben und das mache ich nahezu nie, dementsprechend war auch meine Sorge.
Also setzte ich meine Feder aufs Papier, wollte erst einmal lediglich das Datum schreiben und sie versagte. Zwar hatte ich sie zwei Tage vorher noch frisch gemacht und es ging alles, nun wollte sie hingegen nicht so recht und ich zuckte innerlich zusammen. Monsieur, der Perfektionist, der so viel wert auf Ordnung und Ästhetik gibt, der eine makellose Unterschrift hingezaubert hatte, musste nun von mir hören, dass ich doch nochmal was Tinte auffüllen muss, oder die Feder benetzen, es nun aber schnell in Ordnung bringen werde.
Klar blieb er gelassen, was aber nicht mein Unwohlsein linderte. Ich möchte für ihn auch perfekt sein, es wert sein, dass er sich Mühe mit mir gibt, sich gerne mit mir befasst und glücklich schätzt, eine gute Sklavin zu haben. Ärger durchströmte mich, aber ich wollte mir nicht den Moment zerstören lassen, durch einen kleinen Fehlstart. Lieber den Fokus auf den schönen Anlass richten und es nun besser machen.
Zweiter Versuch, der nun auch gelang. Ich schrieb die Zahlen hin und ich möchte nicht behaupten, dass es auch nur aussah, als hätte ich mir Mühe gegeben, auch wenn ich es tat. Dann noch Haustierchen hintendran, möglichst locker und als wäre es eine alte Gewohnheit, dabei aber genießend, dass es ein Dokument mit meiner Unterschrift als Haustierchen gibt.
Ein wenig stolz, ein wenig ehrfürchtig, ganz aufgeregt schaute ich unsere Bekundung an und hatte im Kopf, was das mit sich bringt.
Monsieur möchte nicht alle Regeln auf einen Schlag umsetzen, damit wir nicht überfordert werden, zu viel auf einmal beachten müssen und dadurch auch übersehen würden, also leitete er mich an, dass ich die ersten drei Regeln in mein kleineres grünes Buch schreiben soll, womit sie auch gelten und umgesetzt werden müssen.
Mein Glück ist, dass es mit die einfachsten Regeln sind, in meinen Augen jedenfalls.
Wieder der erste Gedanke dabei: „Man, nun verhunzt meine Schrift sein kleines Kunstwerk…“
Schon in der Grundschule musste ich „Schönschrift“ üben, üben, üben und es brachte null!
Mein Problem war immer, dass ich Beidhänderin bin. Ich konnte mich nicht entscheiden, was meine gute Hand ist und sollte dann eben, wie alle anderen auch, die Rechte benutzen, fertig. Meine Schrift sieht so aus, wie sich das anhört und ist immer ein Manko für mich. Zwar versuche ich oft wirklich schön zu schreiben, was dann auch ordentlich aussieht, aber ohne Persönlichkeit ist und nicht besonders aussieht.
Monsieur sagt immer, dass er meine Schrift mag. Lieb, oder? Ich glaube, dass es egal ist, wie ich schreiben würde, sie würde ihm gefallen, weil er mich darin sieht und nicht die Krakelbuchstaben. Er ist wirklich ein Schatz, wenn es um solche Dinge geht.
Da ich gestern noch mit meinem Schandmaul die Freiheit genoss und keine Rücksicht nahm, unter dem Motto: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, hatte Monsieur heute einen Auftrag für mich. Ich sollte ja die ersten Regeln eintragen, aber als kleine Strafe, sollte ich dabei Rattenschwänze tragen.
An alle Leserinnen, ihr wisst sicher, wie unangenehm, demütigend und peinlich Rattenschwänze sind. An die Leser, ja, das ist einem wirklich peinlich und man schämt sich schon arg dafür.
Ich tappste ins Bad, richtete meine Haare wie gewünscht hin, sogar ordentlich, indem ich mir Mühe mit dem Scheitel gab und dass es symmetrisch aussieht von der Platzierung und brauchte dafür ein bisschen länger. In dieser Zeit rasten meine Gedanken, die sich einerseits mit der Demütigung und Scham befassten, andererseits mit dem frisch unterschriebenen Vertrag, der ja schon eine kleine Wende sein sollte. Kein U-Turn, aber eine deutliche Veränderung.
Man hat immer die Wahl, ob man beschämt wird oder nicht. Das ist eine Option, kein Muss.
Monsieur wünschte sich diese Frisur, also investierte ich Zeit und machte es ordentlich für ihn und ja, als ich dann vor ihn trat und fragte, ob es so in Ordnung ist, kam ich mir sehr blöd vor und korrigierte mich auch innerlich, indem ich mich darauf berief, dass ich tat, was Monsieur mir angedacht hatte und dass das schön ist, mein Lebensinhalt, mein Wunsch, meine Hingabe und war ein bisschen stolz, als er sagte, dass es gut aussieht und ich loslegen dürfe.
Ich kniete mich abermals an mein Tischchen und blätterte das kleine Büchlein auf. Er hatte bereits das Inhaltsverzeichnis eingetragen und die Überschriften der Regeln verteilt, so dass ich nur noch darunter schreiben durfte.
Wie bei einer wichtigen Prüfung versuchte ich alles zu beachten.
Kein Wort vergessen.
Schön schreiben.
Das „die Sklavin“ immer in die Ich-Form umändern.
Keine Zeile auslassen.
Den Rand beachten.
Möglichst so grazil arbeiten, wie Monsieur es immer getan hat.
Wenn ich an so viele Kleinigkeiten denken muss, geht schon eher was schief. Ich habe mich wirklich konzentriert und finde das Ergebnis ordentlich.
Die Zöpfe waren mir in dem Moment vollkommen egal, ich wollte einfach eine gute Sklavin sein und das Buch nicht ruinieren.
Hinterher wollte Monsieur alle Regeln vorgelesen bekommen und war, denke ich, zufrieden.
Er hat eine Tafel bestellt, auf der meine Erziehungs(miss)erfolge verschriftlicht werden sollen, so dass ich es permanent vor Augen geführt bekomme.
An Eifer fehlt es mir nicht. Angst vor Strafen habe ich nicht, da Monsieur gerecht ist und recht sanft, geradezu nachsichtig, das ist nicht mein Problem. Gewohnheiten sind die Crux. Oder, wenn man mal sauer aufeinander ist, was im Idealfall nicht vorkommen sollte, aber bei Menschen doch manchmal der Fall ist, sich dann zu beherrschen, sich zu besinnen, dass man kein „normaler“ Mensch ist, sondern als Sklavin angemessen reagieren muss.
Das werden die Stolpersteine des Alltags sein.
Regeln gelten erst, wenn sie in meinem kleinen Büchlein stehen.
Ich darf es immer bei mir tragen.
Es hat noch viel Platz für Anmerkungen, Verbesserungen, unser Leben.
Ich bin wirklich maßlos stolz auf Monsieurs Regelwerk. Er hat sich so viel Mühe damit gemacht, Zeit investiert, Gedanken und Ideen eingebracht.
Es ist schön, wenn man einen Herrn haben darf, der einem das alles zutraut, in einen investiert und man das Leben auf diese festgelegte Art teilen möchte.
Ich bin überzeugt davon, dass ein Herr, wenn er ein guter Herr ist, sehr viel Arbeit mit der Erziehung einer Sklavin hat. Fehltritte minimieren, viele Dinge im Blick haben müssen und schauen, dass es nicht langweilig wird. Ich als Sklavin muss nur gehorchen, meine Regeln im Kopf haben und mir Gedanken machen, wie ich Monsieurs Leben versüßen kann. Notfalls den nackten Arsch hinhalten, das funktioniert ganz gut.
Mein Kaffee ist fast leer, der Hund möchte raus und ich habe bereits einen halben Roman geschrieben. Das muss für heute genug sein. Ich wollte, für uns, den Tag möglichst genau festhalten. Er markiert einen wichtigen Punkt in unserem Leben. Das ist wichtig.
Danke Monsieur, dass ich Ihnen all das wert bin und ich werde mich weiterhin bemühen, ja, auch mit meiner Schrift… und dass es halbwegs schön wird, auch wenn ich an Ihre Kunst nicht heranreichen mag.
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