Samstag, 23. November 2019

Kaugummizeit



Gestern stand in meinem Plan, ich solle unter anderem 15min die Wand anstarren. Warum? Weil er es so möchte.

Ich hatte es vergessen, zwischen den ganzen anderen Aufgaben und unbewusst, hatte ich es vielleicht einfach verdrängt, denn ich brauche immer Input, immer irgendwas zwischen den Fingern.

Als es mir, kurz vor dem Eintreffen meines Herrn, aufgefallen ist, schrieb ich ihm bei Skype: "Ich habe es vergessen, werde es aber nachholen!" Bat um Verzeihung und erklärte, wie es dazu kam. Er überlege sich etwas.

Er kam Heim, wir aßen, wir redeten, normales Abendprogramm und vergaßen es wieder.

Heute morgen löste er meine Kette, ließ mich auf die Toilette, allerdings nicht zurück ins Bett, also versuchte ich mich ins Bett zu schleichen, heimlich und auffällig.

Er erinnerte mich an die Erfüllung meiner Aufgabe, jedoch bin ich ein schrecklicher Morgenmuffel und hatte keine Lust, natürlich keine Lust.

Nach einem kleinen Wutausbruch und die Fragestellung nach der Sinnhaftigkeit solcher Diskussionen, zog er mich an den Haaren auf meinen Platz, legte mir eine Decke um, da die Fenster offen waren und ließ mich, für den Anfang, fünf Minuten knien und warten.

Die Zeit zog sich wie Kaugummi. Als würde man hungrig vor der Mikrowelle warten müssen.

Die Uhr tickt, tickt, tickt, aber die Zeit vergeht trotzdem nicht.

Tickt, tickt, tickt, sollte einen erinnern, dass die Zeit irgendwann um ist, erinnert aber nur, dass sie nicht rennt, sondern kriecht.

Mein Herr fragt mich, warum ich die fünf Minuten damit verbringe, die Wand anstarren zu müssen.

Ja, warum?
Weil er es möchte?

Nein, nicht nur.
Weil er es kann, weil er über meine Zeit bestimmt, nicht ich und wenn er sie verschwenden möchte, dann macht er es, weil sie ihm gehört.

Seine Zeit, nicht meine, denn mir gehört nichts.

Auch solle ich mir keine Gedanken über den Sinn machen, nicht werten, denn das sei nicht meine Aufgabe. Er sage es, es ist sein Wille, ich habe es zu tun.

Schwierig, wenn man ein Mensch ist, der immer über den Sinn nachdenkt, über die Gedanken und das Tun anderer und das große allmächtige Warum.

Aber ich knie vor der Wand, tick, tick, tick und warte, sage mir, es ist der Wille meines Herrn, ihm gehört alles, auch meine Zeit.

Er bestimmt über alles, auch meine Zeit.

Er gibt allem Sinn, nicht durch Sinnhaftigkeit, sondern seinen Willen.

Sein Wille gibt mir Sinn, mehr braucht es nicht.


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